07 January 2013

Das Urteil - Teil 7

Teil 7 der mündlichen Urteilsverkündung

Richter: Lassen Sie uns, bitte, fortsetzen! Nehmen Sie bitte Platz! So, soweit erst mal zur Zwangsrekrutierung. Das Thema verlass ich jetzt. Ich gehe jetzt ein auf die Einlassungen einzelner Angeklagten. Das sind Verschiedene erwähnenswert, insbesondere weil wir da zu anderen Erkenntnissen gekommen sind.

AW: Sie gaben an, zur Tatzeit dreizehn Jahre alt gewesen zu sein. Wenn das richtig wäre, wären Sie ein strafunmündiges Kind gewesen, dann hätte gegen Sie kein Strafverfahren durchgeführt werden dürfen. Wir haben aber keinerlei Zweifel, dass das, was die Herren Sachverständigen H… und Fuhrmann angegeben haben, richtig ist. Sie waren zur Tatzeit über 18 Jahre alt! Aber auch an den drei Schriftstücken hegen wir große Zweifel! Diese angeblichen Urkunden und Schulbescheinigungen, die uns Ihre Mutter zukommen ließ, da haben wir erheblich Zweifel, ob die überhaupt echt sind! Auch andere Angeklagte haben ähnlich aussehende Schriftstücke vorgelegt. Sie waren alle aus Galkayo und es stand „District Court“ drauf. Der Zeuge J… vom Bundesamt für Migration hat glaubhaft gemacht, dass es schwierig ist mit solchen Urkunden. Ebenso verhält es sich auch mit den Altersgutachten. YK, KD und AS – teilweise haben sich die Angeklagten auch damit einverstanden erklärt. In einem Fall war die Altersangabe auch richtig, nämlich bei AS, und stimmte mit dem Altersgutachten überein.

Herr CM: Auch Sie geben an, sie seien in Galkayo hilflos gewesen und hätten an dem Überfall teilgenommen, weil Sie Geld für Ihren entführten Sohn brauchten. Wegen Tilgung der Schulden beim Lebensmittelhändler. Sie haben auch eine Urkunde aus Galkayo vorgelegt. Ihrer Einlassung zur Entführung können wir jedoch nicht folgen. Sie haben dazu keine Fragen beantwortet und keine Details genannt. Zum Beispiel nicht den Namen des Entführers, genaue Angaben über den Ablauf, den Ort, wie es im Einzelnen passierte, wo Sie davon Kenntnis bekommen haben, ob es Versuche gegeben hat, zumindest einen Teil der Schulden zu bezahlen. In der Urkunde haben die Zeugen angegeben, dass Ihr Sohn sich in der Hand von den Entführern in Mogadischu befindet. Sie aber haben von Galkayo gesprochen. Wir haben erhebliche Zweifel an der Echtheit von Urkunden. Das Einzige, was Ihre Angaben stützt, ist die Aussage von KD, er habe die Radiosendung an Bord der Dhau HudHud gehört und es habe sich bei dem entführten Kind, über das dort berichtet wurde, um Ihren Sohn gehandelt. Ob wir Herrn KD folgen oder nicht, dazu nachher mehr. Das erscheint uns schon ungewöhnlich. Aber selbst wenn es diese Radiosendung gegeben haben sollte, selbst wenn es sich bei dem Kind um Hussein gehandelt haben sollte – bemerkenswert ist doch, dass Sie zum Schluss in Ihrem Letzten Wort mit vielen Worten gesprochen haben, aber Ihren Sohn nicht mehr erwähnt haben.

Herr YK: Dass Sie das Wasser aus dem Schiff schöpfen mussten, das mag zutreffen. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass dies nicht Ihre einzige Aufgabe gewesen sein kann. Es war eine mit allen abgestimmte Aktion von zehn Personen und neun Schusswaffen. Da ist es unwahrscheinlich, dass nur eine Person unbewaffnet bleibt. Immerhin haben Sie noch gesagt, dass Sie an Bord auch nach der Mannschaft gesucht haben. Aber sicher ist, in der Gesamtheit aller Aktivitäten, die auf alle von Ihnen verteilt waren, glauben wir nicht, dass Ihre Aufgabe allein das Wasser schöpfen war.

YM: Sie sagen, Sie waren der Hilfssteuermann, unbewaffnet und Sie hätten das wegen der 500 Dollar gemacht. Auch für Sie gilt: Es ist ausgeschlossen, dass Sie nicht gewusst haben, welcher Aktion Sie sich da angeschlossen hatten. Das kann möglich sein, dass Sie der Hilfssteuermann sein sollten, aber ob Sie das dann auch gewesen sind, dazu haben Sie nichts gesagt. Auch Sie waren in den Tatplan eingebunden und hatten feste Aufgaben, nicht nur auf dem Skiff. Wir müssen Sie genauso wie alle anderen als Mittäter einstufen.

Und nun Herr KD: Mit Ihren Aussagen haben wir uns, ich sag mal, auch streitig auseinanderzusetzen. Ab dem 29.Februar machten Sie andere Angaben. Sie gaben an, ohne Zwang mitgemacht zu haben und auch von den anderen sei keiner gezwungen worden. Sie haben Einzelheiten berichtet. Sie berichteten, dass auf der Dhau Verträge abgeschlossen wurden, wer in welchem Skiff mitgefahren ist, welche Waffe er trug, welche Aufgabe er hatte. Insbesondere AM haben Sie schwer belastet. Er sei der Stellvertreter Dhaghaweynes gewesen und habe die Befehlsgewalt bei dem Überfall gehabt. Wir können uns gut vorstellen, dass eine Menge davon zutreffend ist, aber es bleiben auch Zweifel. Zunächst ist widerspruchsfrei: Keiner war gezwungen mitzumachen. Da haben wir Übereinstimmung. Aber die Radiogeschichte, die Geschichte mit dem Steuermann und ähnliches. Der Sachverständige Dr. Hansen sagt: Ja, das kommt vor. Trotzdem kommen wir nicht zu der sicheren Überzeugung, insbesondere in Bereichen, wo nur Sie das sagen, insbesondere da, wo Sie andere Angeklagte belastet haben und was durch nichts sonst belegt ist. Schon am Anfang haben Sie keine klaren Angaben gemacht. Wie hoch eigentlich Ihr Verdienst gewesen wäre, haben Sie nicht gesagt. Es war ungewöhnlich und von Bedeutung, dass Sie die Fragen der Verteidiger nicht bereit waren zu beantworten. Sodass wir am Ende dazu kommen: Auf Ihre Angaben können wir nichts Verlässliches stützen. Nachfragen haben unsere Zweifel nicht ausgeräumt. Wir teilen ausdrücklich nicht die Auffassung der Staatsanwaltschaft, die Irritationen seien ausgeräumt. Es bleiben aus unserer Sicht Zweifel. Und zwar betrifft das vier Bereiche: erstens Ihr Antrag vom 11.August 2010, in dem Sie darum bitten, ein Telefonat mit Ihrem Vater führen zu können. Da benutzen Sie noch den Namen D. Wir haben Sie ausdrücklich dazu gefragt und Sie haben „Nein, das ist nicht der Name meines Vaters“ gesagt. Sie haben sich neu dazu geäußert, aber es wurde nicht verlässlich geklärt. Zweitens: Wie kann es sein, dass die Telefonnummer Ihres Vaters auf dem Mobiltelefon von CM ist? Sie haben dazu gesagt „Das kann sein, aber gespeichert habe ich sie da nicht“. Hier in der Hauptverhandlung haben Sie gesagt, das ist die Nummer eines Hintermannes. Sie hätten vergessen, die Nummer zu löschen. Drittens: Der Anlass des Telefonats mit Ihrer Mutter war, dass der Bruder bei einem Autounfall umgekommen ist. Sie haben dann gesagt: Nein, es hat keinen Autounfall gegeben. Jetzt sagen Sie, dass es doch einen gegeben hat, dass es sich aber um Ihren Cousin gehandelt habe. Viertens: Sie selber haben dem Gericht zwei Schriftstücke zugeleitet, als Sie noch angaben, selber gezwungen worden zu sein. Sie haben darauf bestanden, dass Sie „D.“ heißen. Die Schriftstücke waren von der eigenen Familie vorgelegte Erklärungen. Warum sollte die eigene Familie Dokumente mit falschem Namen einreichen?

Wir möchten uns auf Ihre Angaben nicht stützen, aber ein Lügner sind Sie eindeutig nicht!

Es gab mehrere Hilfsbeweisanträge hier. Wir haben alle geprüft. Von den verbliebenen hat keiner dazu geführt, dass wir wieder in die Beweisaufnahme eingetreten sind.